Romantische deutsche Lande!

Wie liebe ich es doch, auf Schusters Rappen oder mehr noch mit trefflich gearbeiteten Siebenmeilenstiefeln durch deutsche Lande zu ziehen! Wie grün ziehen sich die Auen entlang sich windender Flüsse – wie sanft steigen rechts und links die Hügel hinan! Hier geht das Herz mir auf und jeder Unbekannte, auf den ich treffe, wird sogleich zu meinem Freund.

Acker und Mühen,
Gewerbe und Fleiss –
Die Künste erblühen
zum Lobespreis!

So deutsch ich bin,
so bin ich treu –
lob Heimatlande
ohne Reu.

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Prinzessin Herzeleide

Es war einmal ein König, dem wurden drei Kinder geboren. Eines war klug und kräftig, eines war fleißig und ausdauernd. Das jüngste aber war ein Mädchen, das von allen guten Gaben der Eltern nur die besten in sich vereinte: Das war Prinzessin Herzeleide, schlank und zierlich, empfindsam und widerstandsfähig, höflich und ehrlich. Als sie erwachsen wurde, galt sie mit ihren dunklen Locken, ihrer alabasterfarbenen Haut und ihrer anmutigen Gestalt schon bald als das schönste Mädchen weit und breit. Der alte König hatte sie besonders in sein Herz geschlossen. Nun musste er nicht viel tun, um die klügsten und stattlichsten Jünglinge des Reiches an seinem Hof zu versammeln, die um sie werben wollten.
Ein edler Prinz hatte es ihr besonders angetan. Mit seinem nordischen Namen, seiner hünenhaften Gestalt und seinen blonden Haaren stach er aus der Menge der Freier heraus und mit seinem Mut, seiner offenen Art und seinem Stolz gewann er ihr Herz. Schon bald wurde Verlobung gehalten und ein prächtiges Hochzeitsfest ausgerichtet, denn jeder im Reich sollte an der Freude des alten Königs teilhaben und das junge Paar bewundern.
Herzeleide war eine Braut, wie man seit langer Zeit keine mehr gesehen hatte: Dank der Eleganz und Grazie ihrer Mutter kam sie den Elfen und Feen gleich, durch Bodenständigkeit, Geisteshaltung und Witz ihres Vaters wäre sie eine würdige Königin gewesen. Am Hochzeitsabend wollte jeder bei Hofe ihr persönlich seine besten Gaben und Wünsche darbringen. Herzeleide war überglücklich und sah einer wunderbaren Zukunft entgegen. Nur einmal im Verlauf des rauschenden Festes änderte sich ihre Stimmung, als eine weißhaarige, runzlige Burgfrau aus einem Seitenturm ihr die Huldigung entgegenbrachte. Mit ihren schwarzen, stechenden Augen bannte sie Herzeleide zu Stille und Besinnung, bevor sie sprach: „Den Du liebst, den fessle Nacht für Nacht. Der aber gebunden ist, den versuche nicht zu befreien. So wirst Du Deinen Namen gefahrlos tragen.“
Bald nach der Hochzeit zog Herzeleide mit ihrem Prinzen auf sein Schloss und begann ein glückliches Familienleben. Ebenso wie sie zog der Prinz Freunde und Wohlstand nur so an und es fehlte ihnen an nichts mehr zu ihrem Glück, als ihnen der erste Sohn geboren wurde. Jahre vergingen und die Prinzessin brachte ein Mädchen zur Welt. Sie führte den Haushalt, sie zog die Kinder auf, sie ließ ihre findigen Hände an vielen Stellen Gutes tun und überall ward sie geliebt. Des nachts im Bett aber war sie rechtschaffen müde – den Satz von der Alten hatte sie nie richtig bedacht: In Fesseln legen wollte sie niemanden, schon garnicht ihren Prinzen. Wenn der nicht in Freiheit bei ihr bliebe und immer wieder zu ihr fände, so wäre er ihrer eben nicht wert!
Und eines Morgens erwachte sie in ihrem hellblauen Himmelbett allein. Zum Frühstück, zum Mittagessen, selbst zur Nacht wollte sich ihr Mann nicht mehr zeigen. Als er schließlich wiederkehrte, von einer anderen zerzaust und von Reue zerknirscht – da schickte sie ihn zurück in die Freiheit, die er sich genommen hatte. Insgeheim weinte sie bitterlich, hütete sich jedoch, ihre Kinder etwas merken zu lassen. Sie nahm kaum Speisen zu sich und man hörte sie kaum noch lachen. Sie richtete sich auf ein pflichtbewusstes und entsagungsreiches Leben ein, das sie der Kinder wegen allein verbringen wollte: Niemand sollte das Andenken des Prinzen jemals trüben.
Bis sie eines schönen Tages einen entfernten Verwandten besuchte, der mit seiner Familie eine einsam entrückte Burg bewohnte. Glückliche Kinder umsprangen ihre Füße und glückliche Eheleute warteten ihr auf. Jedoch das Glück entpuppte sich schon bald als hohl und leer. Es war der Graf, der an einsamen Orte ihr sein Herz ausschüttete und sie als Seelenverwandte um Trost und Rat anging: Alles, alles hatte er erreicht und wie sein Weib alle Pflichten tapfer erfüllt. Doch die Liebe war ein flüchtiger Gast gewesen und hatte sie schon bald verlassen. Zu Tränen gerührt glaubte die Prinzessin ihr eigenes Schicksal zu erkennen und entbrannte in glühender Liebe. Doch so sehr der Graf ihrer Liebe bedurfte und sie noch heftiger zu erwidern versprach – sein Leben ändern wollte er nicht. Denn je mehr Herzeleide sich nach ihm verzehrte, desto bequemer wurde ihm sein Los: Von der Quelle einer solchen Liebe gelabt, verdurstete er in der trockensten Ehe nicht!
Die Prinzessin wollte Glück, das sie für sich selbst ersehnte, einer anderen nicht nehmen. Doch von ihrer Liebe konnte sie auch nicht mehr lassen. Nur das größere Leid um des Grafen Willen gab dem Verlust des Prinzen einen Sinn. So tat sich mit der Zeit unter ihrem Herzen eine klaffende Wunde auf und immer, wenn sie des Prinzen oder des Grafen gedachte, vergoss sie ihr kostbares Blut. Allmählich wurde sie blass und immer blasser und langsam gingen ihr die Kräfte aus. Und wenn sie nicht gestorben ist dann … liebt sie heut nicht mehr.

Utopische Liebesinsel

„Gestern wieder gevögelt. Keine besonderen Vorkommnisse.“ Wer in seiner dauerhaften Liebesbeziehung diesen in Jean-Paul Sartres „Ekel“ beschriebenen Tagebuch-Eintrag vermeiden will, sollte vielleicht zur „Insel der Linkshänder“ von Alexandre Jardin greifen. Der französische „Erfolgsautor“ schildert in einer Mischung aus Satire und Utopie, wie man länger Spaß an einer langen Zweierbeziehung hat. Keine Ahnung übrigens, warum Marina ausgerechnet mir dieses Stück Literatur verschrieben hat – denn ja: hier soll Medizin verabreicht werden. Nicht umsonst ist der Protagonist, der aus Britenklischees gewebte Lord Stork, von Beruf Literaturtherapeut. Um seine in spektakulärem Handstreich eroberte Herzensdame nach sieben Ehejahren nicht wieder zu verlieren, wandert er mit seiner Familie auf die Insel der Linkshänder St- Hélène im Südpazifik aus – die letzte Etappe per Heißluftballon. Schöne Reminiszenz an den „Luftschiffer Gianozzo“, wie auch Schilderungen schrullig-spießiger Gefühle öfter an den vor 250 Jahren geborenen Jean Paul erinnern. Die folgende Beschreibung des auf die Liebe ausgerichteten Lebens der Inselbewohner und ihrer gesellschaftlichen wie politischen Einrichtungen knüpft formal an die klassischen Utopien von Tomasso Campanella, Thomas Morus, Charles Fourier und Henri de Saint-Simon an. Inhaltlich stellt der Autor die Erfahrungen der sexuellen Revolution einschließlich gemäßigter weiblicher Emanzipation der viktorianischen Moral und ihren Beschränkungen gegenüber. Dabei kann er nur gewinnen – ebenso wie ich, der Leser. Gleich zu Anfang habe ich mich in den plumpen Fehlern des Lords wiedererkannt – alle weiteren mache ich dann bei nächster Gelegenheit! Gefallen hat mir, dass die Beziehungen zwischen den Geschlechtern tiefgründig und fair geschildert wurden. Schön auch, daß man das Thema ohne lebenshelferischen Anspruch und esoterischen Quark behandeln kann.

Ende des Zwölfzylinders?

Die Suche nach einem leistungsfähigen und langlebigen Alltagsfahrzeug führte neulich von der Daimler-Niederlassung in Münchens Ingolstädter Straße zu den nahegelegen Show Rooms von Aston Martin und Bentley. Angesichts des neuen Rapide, des Bentley Continental GT und anderer Zwölfzylinder entwickelten sich Gespräche über die Zukunft dieser Motoren. Ähnlich Ferrari führt Aston Martin seit längerem Modelle mit leichten, leistungsfähigen Achtzylinder-Aggregaten. Vergleichbare Kraftentfaltung bei geringerem Gewicht – das hat schon den Jaguar E-Type mit sechs Kolben am Zwölfender vorbei fahren lassen. Heute drosseln abschaltbare Zylinder den Verbrauch und erhöhen die Sozialverträglichkeit. Darin sehen die Verkäufer den Hauptgrund dafür, dass immer mehr Kunden auf die kleinere Variante umsteigen. Bei Bentley können sie ohnehin alle Modelle mit dem von VW entwickelten Zwölfer oder einem neuen Achtzylinder ordern. Man munkelt, die Konzernmutter würde das Spitzentriebwerk einstellen. Nicht nur Tier- und Pflanzengattungen, auch Motorenarten sind also vom Aussterben bedroht! Deshalb hier ein ungewöhnlich zynischer Hilfsappell: Rettet den Zwölfzylinder! Die gleichmäßig verteilte Kraft von zwölf Pleueln auf eine Kurbelwelle führt immer noch zu höchster Laufruhe und geringen Vibrationen. Wunderbare Auspuffmusik strömt durch die Schalldämpfer – der sanft anziehende Vortrieb gehört seit Rolls Royce Phantom III zum automobilen Hochgenuss. Wer darauf nicht verzichten will, sollte bald investieren. Zum Beispiel in den Gebrauchtwagen von Ex-Torhüter Oliver Kahn bei Aston Martin!

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Neue Brecht-Biographie von Jan Knopf

War am 6.2.2013 auf einer interessanten Vorstellung einer neuen Brecht Biographie im Literaturhaus München. Das klang wirklich gut. Die Rezeption des polygamen Edel-Sozialisten, so die These des Autors Jan Knopf, war bislang durch die ideologischen Auseinandersetzungen des Kalten Krieges stark getrübt. Also kommt die Biographie als „erste umfassende Darstellung nach der Wende“, daher. Das kann ich gut nachvollziehen; drüben wollten sie BB gegen alle Widerborsten zu einem Vorzeige-Klassiker machen – hüben haben sie die Werke zu blutleeren Ausdrücken des Kaderkommunismus erklärt. Beides übrigens ganz gegen die folkloristische und vielfältige Rezeptionsgeschichte – nicht nur der Dreigroschenoper, sondern auch von Werken wie Baal: da muss es einen schönen Schlöndorff-Fassbinder-Film von 1969 geben. Der Erotiker BB wurde zudem heftig von Frauenbewegten angegriffen. Der Autor scheint sich auch in diesem Durcheinander auszukennen und nimmt den inzwischen Wehrlosen tapfer in Schutz – auch vor den bekannten Ausbeutungs- und Werknutzungsvorwürfen aus dieser Ecke. Immerhin Gründe genug zum kaufen und/oder lesen. Übrigens finden sich in der breiten Lyrikproduktion auch erotische Sonette – einige zitiert der Biograph im Buch.