Joana

Als er erwachte, wie aus einem langen, tiefen Schlaf, das Buch neben sich auf dem Krankenbett, stand Joana bereits in seinem Zimmer. Ganz den praktischen Seiten des Lebens zugewandt, hatte sie auf seine Nachricht hin das Nötigste für einen Krankenhausaufenthalt gepackt, ihren jüngeren Sohn eingesammelt und im Allgäu den von ihm angerichteten Schaden beseitigt. Das war es, was ihn mit seiner Ehefrau noch verband: Die gegenseitige Versorgung und die Sorge um ihre beiden immer erwachsener werdenden Jungen.
Als sie vor fünf Jahren bei einem seiner Freunde das entdeckt hatte, was sie bei ihm vermisst haben musste, war sein Rückzug ins Private, getragen von dem Glauben, dass er wenigstens in einer Kleinfamilie die Ideale würde verwirklichen können, die er sich in seiner Jugend als die wichtigsten gewählt hatte, in einer Sackgasse geendet. Die Gemeinsamkeiten ihrer Beziehung zerplatzten wie Seifenblasen, die sie vielleicht von Anfang an gewesen waren. Denn kennen gelernt hatte er Joana nie. Das hatte ihn fasziniert. Obwohl sie in vielen Werten, Ansichten und Handlungsweisen mit ihm übereinstimmte, sich vielleicht in diesen und weiteren an ihn angepasst hatte, entdeckte er doch über viele Jahre hinweg immer wieder neue, völlig aus seinem Bild fallende, manchmal gegensätzliche Seiten an ihr.
Er war machtlos gewesen. Weder hatte er seine materielle Überlegenheit ausspielen, noch das Wohlergehen der Kinder gefährden wollen. Seiner verbalen Überzeugungskraft war Joana mit beharrlicher Verweigerung von Gesprächen begegnet. Seine tiefen Gefühle hatte er schon vorher nicht mehr äußern können. Und wo das Verlangen aufhört, sollte die Freundschaft anfangen. Während er alles tat, um Schaden zu begrenzen, schaute er mit angehaltenem Atem der Auflösung seiner Ehe zu. Er blickte wie durch ein Kaleidoskop auf sein bisheriges, glückliches Leben: Mit einer winzigen Drehung purzelten die Bestandteile zu einem sinnlosen Schrotthaufen durcheinander.

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